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Astrolabium


Allgemeine Betrachtung

Ein Model des gestirnten Himmels


Über dem Tordurchgang ziert ein astronomisches Zifferblatt die Ostfassade des Zeitglockenturms. Es ist ein so genanntes Astrolabium und dient ausser der Zeitangabe vor allem der Darstellung der Himmelskörper, so wie wir sie von der Erde aus wahrnehmen können. Das Astrolabium basiert auf dem Prinzip der stereographischen Projektion. Dieses ermöglicht es, das dreidimensionale Model der Himmelskugel auf einer zweidimensionalen Äquatorebene darzustellen.

Das Astrolabium stellt das ptolemäische Weltbild dar, mit der Erde im Mittelpunkt und den Gestirnen, Sonne, Mond und Sterne, die scheinbar um die Erde kreisen. Als festes Bezugsystem dient folglich die Erde mit ihren Bezugspunkten und -linien, auf dem Astrolabium als Planisphärium dargestellt. Die Sterne sind symbolisch auf dem exzentrisch angeordneten Tierkreis mit den 12 Tierkreiszeichen abgebildet. Die goldene Hand mit der kleinen Sonne stellt den Stunden- und Sonnenzeiger dar. Den Mondzeiger bildet eine schwarz-goldene Kugel, die sich nebst dem Umlauf um den Tierkreis um ihre eigene Achse dreht.


Das Planisphärium

Die Erde als Mittelpunkt

Mit dem Planisphärium wird beim Astrolabium der feste Teil, also die Erde mit ihren Bezugslinien bezeichnet. Wir unterscheiden zwei verschiedene Projektionsrichtungen. Bei der südlichen Projektion betrachten wir vom Nordpol aus den südlichen Sternenhimmel. Diese Projektionsrichtung erlaubt somit den scheinbaren Lauf der Sonne möglichst wahrheitsgetreu nachzuvollziehen. Die nördliche Projektion, also die Sicht vom Südpol gegen Norden, stellt vorwiegend den nördlichen Himmel dar. Sie eignet sich vor allem, den Nachthimmel mit den für uns sichtbaren Sternen darzustellen. Unser Astrolabium stellt die südliche Projektion dar.


Sonne, Mond und Tierkreis

Der gestirnte Himmel über der Erde

Sonne, Mond und Tierkreis stellen die beweglichen Teile des Astrolabiums dar, also den gestirnten Himmel der scheinbar über der Erde kreist. Die Gestirne gehen im Osten auf und im Westen unter. Betrachtet man das Astrolabium als eine gesüdete Karte (Süden oben, Norden unten), so entspricht dies einer Drehung im Uhrzeigersinn.
Die Ausgangsbewegung kommt vom Stundenzeiger (goldene Hand), der in 24 Stunden einen Umlauf ausführt und auf dem auch das Sonnenemblem angebracht ist. Dieses verändert jedoch im Laufe eines Jahres seine Position auf dem Stundenzeiger, so dass es immer dem äusseren Rand des Tierkreises, der Ekliptik folgt. Die Sonne durchläuft folglich im Jahr alle Tierkreiszeichen.

Der Tierkreis selbst stellt die Sternbilder und damit den Fixsternhimmel dar. Die Neigung der Erdachse lässt ihn exzentrisch erscheinen. Er benötigt 23 Std. 56 Min. für eine Umdrehung, was dem astronomischen Sterntag entspricht. Mechanisch verbunden mit dem Tierkreis ist der Datumring.

Der Mond besitzt einen eigenen Zeiger, der die schwarz-weisse Kugel am inneren Rand des Tierkreises drehen lässt. Seine Umlaufzeit beträgt 24 Std. 50 Min. Er durchläuft den Tierkreis in 29,5 Tagen oder einem synodischen Monat. Während dieses Umlaufs dreht sich die Mondkugel um ihre eigene Achse, so dass der jeweils sichtbare Teil die tatsächliche Phase des Mondes darstellt.

Die täglich sich leicht verändernde Konstellation zwischen Sonne, Mond und Tierkreis erlaubt uns, zu jeder Zeit den tatsächlichen Stand der Gestirne untereinander abzulesen.

Geschichte

Die sper und das orley ze malen

Unser astronomisches Zifferblatt mit all seinen Funktionen wurde bereits 1405, mit der ersten Uhr oder kurz danach angebracht. Es gehört zu einer Gruppe Astrolabien südlicher Projektion, wie sie in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis etwa Mitte des 15. Jahrhunderts gebaut wurden (z.B.: Strassburg, 1354; Doberan, 1390; Stralsund, 1396; Villingen, 1401; Lübeck, 1405; Lund und Prag, 1410; Wismar, 1435).

Alle oben aufgezählten Uhren – so auch unsere – zeigen nebst den modernen Stunden zusätzlich die Temporalstunden an, die bis etwa zur Mitte des 15. Jahrhunderts immer noch in Gebrauch waren. Später verschwinden sie an den astronomischen Uhren endgültig, eine weitere Bestätigung, dass unser Astrolabium zur genannten Gruppe gehört.

Die ersten Hinweise auf die Berner Uhr stammen von 1443: …die sunnen zu dem orley ze vergülden… und 1444: ...die sper und das orley ze malen… Das Astrolabium musste also zu dieser Zeit bereits neu bemalt werden. Der Begriff sper (von sphaera) wurde häufig für Astrolabium oder Planisphärium verwendet, wobei tatsächlich die südliche Projektion gemeint war.

Wochentage

Sieben Götter regieren die Woche

In einer schmalen Maueröffnung über dem Astrolabium erscheint in altdeutscher Benennung der geltende Wochentag.

Einen direkten Bezug zur Wochentaganzeige bilden die Fresken unmittelbar darüber. Sie stellen eine Folge von fünf Planetengöttern dar. Nach alter Ordnung regierte jeder dieser Planeten an einem bestimmten Wochentag, dem er auch den Namen gab. Die Götter sind der römischen Mythologie entlehnt und lassen sich leicht an ihren Attributen erkennen. Von links nach rechts sind dargestellt:

Saturn, Gott der Saat und der Ernte, mit gezackter Sichel und Keule. Er regiert am Samstag.

Jupiter, der höchste Himmelsgott mit Zackenblitz in der rechter Hand. Er regiert am Donnerstag.

Mars, Kriegsgott mit Schwert und Schild. Er regiert am Dienstag.

Venus, Göttin der Schönheit und der Liebe, zu ihren Füssen Cupido mit Pfeil und Bogen. Sie regiert am Freitag.

Merkur, Der Götterbote oder Gott des Handels und des Verkehrs, mit dem Caduceus, dem von zwei Schlangen umwundenen Heroldstab und einem Geldbeutel. Er regiert am Mittwoch.

Die hier dargestellte Reihenfolge bezieht sich auf das ptolemäische, geozentrische Weltbild, nach welchem die sieben Planeten, zu denen traditionsgemäss auch Sonne und Mond zählten, um die Erde kreisen. Danach folgen von aussen nach innen: Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und Mond.

Die heutige Ordnung der Wochentage stimmt deshalb mit dieser Reihenfolge nicht überein, weil ursprünglich jeder Planet nur eine Stunde regierte, angefangen mit der ersten Tagesstunde am Sonntag, welche der Sonne gehörte. Nach Ablauf der Stunde übernahm der nächste Planet, die Venus und nach einer weiteren Stunde der Merkur die Regentschaft. Zählt man die 24 Stunden des Tages ab, so folgt auf die 25., welche der ersten Stunde des folgenden Tages, also des Montags, entspricht, der Mond. Jeder Herrscher der ersten Stunde eines Tages, gab also dem ganzen Tag den Namen.

Zur Folge der sieben Planeten gehörten also auch die Sonne und der Mond. Sie sind auf dem Fresko deshalb nicht dargestellt, weil sie als Bestandteil des Astrolabiums dort schon vorhanden sind und ihre wirklichen Bewegungen am Himmel anzeigen.

 

 







Texte:
Markus Marti | Konzeption: macREC GmbH