Uhrwerk
Allgemeine Betrachtung
Ein Monumentaluhrwerk als Zeichen urbaner Macht
Über die Wendeltreppe im Treppenturm erreicht man im ersten
Geschoss, direkt über dem Tordurchgang die Uhrkammer.
Beim Öffnen der Tür präsentiert sich dem Betrachter
das gewaltige Monumentaluhrwerk von Kaspar Brunner. Eine kunstvoll
geschmiedete Strebekonstruktion auf sechs profilierten Steinsockeln
bildet den Gestellrahmen. Die sechs Pfeiler mit auslaufenden
Fialen und Wasserspeiern weisen noch typische gotische Elemente
auf. Die Eckpfeiler haben einen Abstand von 2.50 m in der Längsrichtung
und 1.70 m in der Breite. Die Höhe der Pfeiler misst 2.16
m. Das ganze Uhrwerk bis zur Hemmung hat eine Höhe von
2.90 m.
Innerhalb dieses Gestellrahmens sind die
fünf einzelnen Werke untergebracht. Entgegen der Tradition
früher Grossuhren, deren Werke nebeneinander angeordnet
sind, hat Kaspar Brunner den Gestellrahmen in je zweimal zwei
hintereinander liegende rechteckige Abteile eingeteilt.
Jedes einzelne Werk benötigt zu seinem
Antrieb einen Gewichtstein. Die gesamthaft 400 kg schweren Gewichte
hängen an Flaschenzügen mit Umlenkungen auf einer Höhe
von knapp 20 m über dem Uhrkammerboden. Diese Fallhöhe
gibt dem Gehwerk eine Gangdauer von ca. 28 Stunden. Die Gangdauer
der übrigen Werke ist nicht wesentlich länger. Die
Gewichte müssen also jeden Tag hochgezogen werden. Dazu
werden die Seile von Hand mittels Kurbeln auf die Seilwalzen
aufgewickelt.
Eine einzigartige Besonderheit stellt
die Konstruktion der Zähnräder der drei grossen Werke
dar: Alle Radteile sind geschmiedet, die Zähne einzeln eingesetzt
und verschraubt oder verkeilt. Seit dem 15. Jh. verfertigten
vor allem Waffenschmiede und Büchsenmacher Schrauben, indem
sie die Rohlinge mehrmals durch Gewindeöffnungen gehärteter
Matrizen drehten. Diese Tatsache erklärt wohl die einzigartige
Bauweise der Uhr, die eben nicht durch einen Uhrmacher, sondern
durch einen Waffenschlosser gebaut wurde.
Der Erbauer
«Casper Brunnern, dem slosser, die zitgloggen
zemachen»
Weil das alte Werk von 1405 seit mehreren Jahren nur noch unzuverlässig
oder überhaupt nicht mehr funktionierte, entschied sich die
Obrigkeit 1527, im Zytglogge ein neues Werk bauen zu lassen. Es sollte
das angeschlagene Wahrzeichen wieder aufwerten und damit die Ehre
der Stadt wieder herstellen. Den Auftrag erhielt der damals amtierende
Zitgloggenrichter Kaspar Brunner, Waffenschlosser und Mitglied der
Zunftgesellschaft zu Schmieden. Am 31. Oktober wurde folgender Vertrag
abgeschlossen:
Ist mit Brunner dem slosser überkommen,
das er die reder zu der zittgloggen machen soll, wie die musterung
anzeigt umb 1000 gulden und ime all fronvasten darzu 10 pfund
geben und soll die zittgloggen richten wie vor und darzu acht
haben, als lang m.h. das gevellig.
Dass Kaspar Brunner diesen Auftrag erhielt,
erstaunt doch ein bisschen, immerhin wirkten zu dieser Zeit berühmte
Turmuhrmacher, wie Laurentius Liechti von Winterthur oder Joachim
Habrecht von Diessenhofen, die auf den ersten Blick dazu wohl
eher prädestiniert gewesen wären. Wenn man allerdings
das Werk, das Brunner 1530 den Bernern präsentierte, genau
betrachtet, dann muss man seinem Handwerk höchste Anerkennung
erweisen.
1537 wird Brunner zum Büchsenmeister
und Zeughauswart der Stadt Bern erkoren. 1541 heiratet er Anna
von Graffenried, die jüngste Tochter des Venners Niklaus
von Graffenried. Noch im gleichen Jahr verlässt er Bern
und nimmt eine Berufung als Zeugmeister in Nürnberg an.
Am 9. Oktober 1561, gut ein Jahr nach seiner Frau Anna, stirbt
Kaspar Brunner in Nürnberg.
Ein Erbauerschild am mittleren östlichen
Stützpfeiler des Uhrwerks trägt seinen Namen: «KASPER
BRVNER» und das Jahr der Vollendung «1530».
Gesamtansicht
Ein Monumentaluhrwerk als Zeichen urbaner Macht
Über die Wendeltreppe im Treppenturm erreicht man im ersten
Geschoss, direkt über dem Tordurchgang die Uhrkammer. Beim Öffnen
der Tür präsentiert sich dem Betrachter das gewaltige Monumentaluhrwerk
von Kaspar Brunner. Eine kunstvoll geschmiedete Strebekonstruktion
auf sechs profilierten Steinsockeln bildet den Gestellrahmen. Die
sechs Pfeiler mit auslaufenden Fialen und Wasserspeiern weisen noch
typische gotische Elemente auf. Die Eckpfeiler haben einen Abstand
von 2.50 m in der Längsrichtung und 1.70 m in der Breite. Die
Höhe der Pfeiler misst 2.16 m. Das ganze Uhrwerk bis zur Hemmung
hat eine Höhe von 2.90 m.
Innerhalb dieses Gestellrahmens sind die
fünf einzelnen Werke untergebracht. Entgegen der Tradition
früher Grossuhren, deren Werke nebeneinander angeordnet
sind, hat Kaspar Brunner den Gestellrahmen in je zweimal zwei
hintereinander liegende rechteckige Abteile eingeteilt.
Jedes einzelne Werk benötigt zu seinem
Antrieb einen Gewichtstein. Die gesamthaft 400 kg schweren Gewichte
hängen an Flaschenzügen mit Umlenkungen auf einer Höhe
von knapp 20 m über dem Uhrkammerboden. Diese Fallhöhe
gibt dem Gehwerk eine Gangdauer von ca. 28 Stunden. Die Gangdauer
der übrigen Werke ist nicht wesentlich länger. Die
Gewichte müssen also jeden Tag hochgezogen werden. Dazu
werden die Seile von Hand mittels Kurbeln auf die Seilwalzen
aufgewickelt.
Eine einzigartige Besonderheit stellt
die Konstruktion der Zähnräder der drei grossen Werke
dar: Alle Radteile sind geschmiedet, die Zähne einzeln eingesetzt
und verschraubt oder verkeilt. Seit dem 15. Jh. verfertigten
vor allem Waffenschmiede und Büchsenmacher Schrauben, indem
sie die Rohlinge mehrmals durch Gewindeöffnungen gehärteter
Matrizen drehten. Diese Tatsache erklärt wohl die einzigartige
Bauweise der Uhr, die eben nicht durch einen Uhrmacher, sondern
durch einen Waffenschlosser gebaut wurde.
Das Gehwerk
Die Ganggenauigkeit war ziemlich dürftig
Das Gehwerk ist im südöstlichen Abteil des Gestellrahmens
untergebracht. Mit dem regelmässigen Pendelschlag spielt es
die Hauptrolle im Zusammenwirken der einzelnen Räderwerke. Von
seinem Stundenrad aus werden die Zeiger an den grossen Zifferblättern
und am Astrolabium angetrieben. Es steuert auch die Auslösung
der beiden Schlagwerke, sowie der Spielwerke. Wie alle frühen
Räderuhren, wurde auch unser Gehwerk ursprünglich mit einem
so genannten Foliot gebaut, einem Waagbalken, der über dem Uhrwerk
hin und her schwang. Die Ganggenauigkeit war ziemlich dürftig,
Abweichungen von über 30 Minuten pro Woche waren wohl nicht
selten. Nachdem vorher bereits Galilei das Pendelgesetzt beschrieben
hatte, gelang es 1657 dem Holländischen Physiker, Astronom und
Mathematiker Christian Huygens, erstmals die Pendelbewegung zum Bau
einer Uhr zu verwenden. Damit verbesserte sich die Ganggenauigkeit
gegenüber dem Foliot ganz wesentlich, ein Grund für viele
Stadtbehörden, ihre öffentlichen Foliot-Uhren umzubauen.
In Bern wurde zwischen 1690 und 1712 die noch heute schwingende,
149 kg schwere Mörserkugel als Pendel eingebaut.
Das Viertelstundenschlagwerk
Eine Schlussscheibe mit Vierer-Teilung
Direkt hinter dem Gehwerk befindet sich das Viertel- stunden-schlagwerk.
Es verkündet die Viertelstundenschläge mit ein bis vier
Schlägen entsprechend dem jeweiligen Viertel auf die Viertelstundenglocke,
die kleinere der beiden Glocken in der Turmlaterne. Alle 15 Minuten
wird das Werk über eine Heberolle am Stundenrad des Gehwerks
ausgelöst. Eine Schlussscheibe mit Vierer-Teilung und ein Fallmechanismus
zählen die jeweils erforderlichen Schläge von eins bis
vier ab.
Das Walzenrad, angetrieben durch das 105
kg schwere Gewicht betätigt über den Zughebel den Schlaghammerzug,
der in der Turmlaterne den Hammer an die Glocke schlagen lässt.
Das Stundenschlagwerk
Angetrieben durch sein 120 kg schweres Antriebsgewicht
Auch das Stundenschlagwerk, im nordwestlichen Abteil, läuft
gleich wie das Viertelstundenschlagwerk mit einem Schlussrad und
einem Fallmechanismus. Anstelle der Vierer-Teilung besitzt die Stunden-Schlussscheibe,
entsprechend den zwölf zu schlagenden Stunden, eine Zwölfer-Teilung.
Im Anschluss an die vier Viertelschläge
des Viertel- stundenschlagwerks wird jeweils das Stundenschlagwerk
ausgelöst, so dass das grosse Walzenrad, angetrieben durch
sein 120 kg schweres Antriebsgewicht, sich in Bewegung setzt.
Damit erzeugt die am Rad angebrachte Hebevorrichtung die Zugbewegung
des Schlaghammerzugs, der Hans von Thann, oben in der Turmlaterne,
an die Stundenglocke schlagen lässt. Weil aber seine Schläge
zu schwach sind, werden diese durch einen zusätzlichen,
massiven Schlaghammer verstärkt.
Die Figurenspielwerke
Ein neuer Rahmen für die Spielwerke
Die beiden Figurenspielwerke stehen im nordöstlichen Abteil
des Hauptrahmens. Sie sind in einen separaten, aus geschmiedeten
Eisenschienen und an den oberen Enden mit barockem Rollwerk verzierten
Gestellrahmen eingebaut. Dieser Rahmen entstand 1593, als die Räder
der beiden Werke vermutlich durch ein herunterfallendes Gewicht beschädigt
wurden und vom Hauptrahmen auf einen Tisch an der Nordwand, direkt
hinter die Figuren versetzt wurden.
Seit der letzten Renovation von 1983 steht
die Gruppe wieder am ursprünglichen Standort.
Das Hahnenwerk
Das linke der beiden Werke treibt den Blasebalg für den
Hahnenschrei. Das Werk gleicht im Prinzip einem Schlagwerk mit
Schlussrad und Fallmechanismus. Beim Ablauf des Walzenrades öffnet
der Zughebel über ein Drahtzugsystem den Blasebalg in der
Mauernische hinter dem Figurenspiel. Sobald der Zughebel wieder
abfällt, presst das darunter hängende Gewicht den Blasebalg
zusammen. Durch drei Ventile mit Klappen bläst er die Luft
in die, durch eine Maueröffnung direkt hinter dem Hahn,
nach aussen gerichteten Posaunen. Eine Nockenwalze öffnet
und schliesst die Klappen der drei Ventile so, dass das vertraute
Kikeriki des Hahnes ertönt.
Das Bären- und Narrenspielwerk
Auf der rechten Seite im separaten Gestellrahmen ist das Spielwerk
für den Bärenumlauf und für den Glockenschlag
des Narren untergebracht. Das Werk ist ähnlich aufgebaut
wie das Stundenschlagwerk, d.h. mit einer Schlussscheibe mit
12er-Teilung.
Für jedes der beiden Glöcklein über
dem Narr existiert ein eigener Schlaghammerzug, dessen Zughebel
beidseits des Walzenrades in die Hebestifte eingreifen. Der Ablauf
des Werks betätigt die beiden Schlaghammerzüge, so
dass der Narr abwechslungsweise auf die beiden Glöcklein
schlägt und dazu den Kopf und das rechte Bein bewegt.
Gleichzeitig wird die Drehbewegung des
Walzenrads über ein Gestänge zum Holzteller mit den
Bären übertragen. Der Antrieb dauert umso länger
je höher die Stundenzahl ist.
Der Zeitglockenrichter
Zitgloggner, Zitrichter, Zitgloggerichter
Mit der Einführung der mechanischen Räderuhren im 14. Jahrhundert
setzte sich die neue, moderne Stundenzählung mehr und mehr durch.
Zuerst war es nur die Zeitglocke, also das akustische Zeitsignal,
das den Leuten die Zeit verkündete. Als Zeitglocke wurde damals
die Glocke zusammen mit einer Schlaguhr bezeichnet. Die Person, die
zu deren Betreuung beauftragt wurde, nannte man Zitgloggner, Zitrichter, Zitgloggerichter oder ähnlich.
Meistens übten die Zitgloggerichter das Schlosser-
oder Schmiedehandwerk aus und machten selbst Reparaturen am Uhrwerk
oder bauten dieses sogar selbst. Der Begriff Richter bezieht
sich auf das möglichst genaue Einstellen, also auf das Richten
der Uhr, wenn ihr Gang abweicht. Früher geschah dies hauptsächlich
nach einer Sonnenuhr, heute bedient sich der Zeitglockenrichter seiner
persönlichen Armbanduhr, die ihrerseits nach dem offiziellen
Zeitzeichen gerichtet ist.
Das Amt des Zeitglockenrichters gibt es
also seit der Einführung der mechanischen Räderuhren
im 14. Jahrhundert. Es beinhaltet im Wesentlichen das manuelle
Aufziehen und Richten der Uhr. Daneben sind aber auch Wartung
und Unterhalt sowie Reparaturarbeiten durchzuführen. Natürlich
kann der Zeitglockenrichter nicht das ganze Jahr jeden Tag selber
die Uhr aufziehen. Er bestimmt daher einen oder mehrere Stellvertreter,
die nach einem vereinbarten Einsatzplan ihren Dienst ausführen.
Auch für die Wartung und Reparaturen ernennt er eine geeignete
Firma oder Fachperson.
Seit vielen Jahren betreut der amtierende
Zeitglockenrichter und Autor dieses Textes, Markus Marti, die
Monumentaluhr im Zytglogge. Zurzeit wird er beim Aufziehen unterstützt
durch Peter Häusermann sowie durch Cyrill Dajcar, einem
Uhrmacher der Firma J. Otto Scherer Sohn AG. Den jährlichen
Unterhalt sowie grössere Reparaturen führt die Schlosserei
Benoit, Inhaber A. Wälti durch.
An vielen alten Räderuhren wurden
mit der Entwicklung der Technik automatische Gewichtsaufzüge
installiert. Um Kosten zu sparen, wurden sie so ihrer ursprünglichen
manuellen Betreuung beraubt. Der Stadt Bern ist es zu verdanken,
dass im Zytglogge nicht nur die Uhr als Kunstdenkmal erhalten
blieb, sondern dass auch die Einrichtung des manuellen Aufziehens
heute noch genau wie vor 600 Jahren weiterlebt.
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